Donnerstag, 26. September 2019
Da ist sie, nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt -nur eine Glasscheibe trennt uns, die Glasscheibe des Fensters zur Terasse hin- auf der Innenseite der grauen tristen Plastiklamellen des halb herabgelassenen Rollladens, zwischen denen vereinzelnd dünne Lichtstrahlen zur Glasscheibe hindurchdringen. Ich beobachte sie mit Entsetzen und Ekel, gleichzeitig mit Bewunderung und Ehrfurcht. Sie scheint erstarrt vor Furcht ob meiner Blicke. Ob sie mich bemerkt hat? Vielleicht schläft sie nur, vielleicht lauert sie. Sie bleibt regungslos, auch als ich von innen an das Glas des Fensters klopfe. Mein Blick fällt auf ihren kugeligen dunkelbraunen Körper, bemerkt eine zarte kunstvolle Musterung auf dem Rücken ihres Hinterleibs. Feine Haare zieren ihre langen Beine. Vorne die dunklen unheilvollen Fangarme, kleine kugelige Augen, die mich an Kaviar denken lassen. Nie war ich ihr so nah. Hier und jetzt, im Schutze der trennenden Glasscheibe. Tegenaria atrica. Sie rührt sich nicht. Später, wenn ich nochmal nach ihr sehe werde, wird sie verschwunden sein. Dort, irgendwo im Pflanzendickicht vor meiner Terrasse, lauernd, wartend, ein Miniaturraubtier. Der Herbst ist da.