Freitag, 27. September 2019


Weniger ist mehr.

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Es sollte nicht sein. Sie schluckte einmal, zweimal ihre Enttäuschung hinunter, welche ihren Mund hat trocken werden lassen. Sie bemerkte diesen Umstand, das sandige Gefühl auf ihrer Zunge, erst, als ihr der Schluckakt schwerfiel, weil es keinen Speichel gab, der ihre Mundschleimhäute zu benetzen pflegte. Nichts zu machen. Sie atmete langsam durch die Nase aus, während sie spürte, wie sich Ärger in der Tiefe ihrer Amygdalae anbahnte, der sich als unbestimmtes Gefühl in ihrer Magengrube entlud. Ärger, oder viel mehr Wut ob der Tatsache, dass sich nun alles so anders darstellte, wie sie es von vorne herein geplant hatte. Als Kind hätte sie nun mit dem Fuß auf dem Boden aufgestampft oder, noch einige Jahre zuvor, sich schreiend auf den Fußboden geworfen, ihren Frust zum Ausdruck bringend, vor den Augen all jener fremden Menschen, die ihr in diesem Augenblick vollkommen gleichgültig waren. Es nutze nichts. Heute war sie eine erwachsene Frau, von der erwartet wird, dass sie Misserfolgen anders begegnet, dass sie Lösungsstrategien entwickelt. Eine Lösung für diese nicht mehr zu ändernde Situation. Kann man nichts machen, dachte sie. Heute, ja heute - gab es keinen Radieschensalat in der Kantine.

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Donnerstag, 26. September 2019
Da ist sie, nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt -nur eine Glasscheibe trennt uns, die Glasscheibe des Fensters zur Terasse hin- auf der Innenseite der grauen tristen Plastiklamellen des halb herabgelassenen Rollladens, zwischen denen vereinzelnd dünne Lichtstrahlen zur Glasscheibe hindurchdringen. Ich beobachte sie mit Entsetzen und Ekel, gleichzeitig mit Bewunderung und Ehrfurcht. Sie scheint erstarrt vor Furcht ob meiner Blicke. Ob sie mich bemerkt hat? Vielleicht schläft sie nur, vielleicht lauert sie. Sie bleibt regungslos, auch als ich von innen an das Glas des Fensters klopfe. Mein Blick fällt auf ihren kugeligen dunkelbraunen Körper, bemerkt eine zarte kunstvolle Musterung auf dem Rücken ihres Hinterleibs. Feine Haare zieren ihre langen Beine. Vorne die dunklen unheilvollen Fangarme, kleine kugelige Augen, die mich an Kaviar denken lassen. Nie war ich ihr so nah. Hier und jetzt, im Schutze der trennenden Glasscheibe. Tegenaria atrica. Sie rührt sich nicht. Später, wenn ich nochmal nach ihr sehe werde, wird sie verschwunden sein. Dort, irgendwo im Pflanzendickicht vor meiner Terrasse, lauernd, wartend, ein Miniaturraubtier. Der Herbst ist da.

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